Andacht, Bibellesen, Seelsorge

Die Bloßstellung und Beschämung Christi

Als ich vor einst eine Predigt über die Rechtfertigung aus Gnaden hielt, wollte ich eigentlich die Abbildung aus dem bekannten Lukas Cranach Altar an die Wand projizieren lassen. Dabei ging es mir z.B. um die Geste die Luther annimmt, dann über das Blut, dass aus Christus kommt, aber auch über die Darstellung von Gesetz und Evangelium, aber irgendwie auch, um das Lamm, dass den Sieg errungen hat. Ich bewundere die Sprache dieses Gemäldes. Auf jeden Fall fragte ich drei unabhängige Stimmen, ob Sie die Verwendung des Bildes sinnvoll finden? Zwei von Dreien haben mir davon abgeraten, mit der gleichen Begründung: “Die Darstellung der Nacktheit Christi könne ein Anstoß sein”. Diese Erfahrung beschäftigte meinen Stolz damals mehr als recht war und so übersah ich die zentrale Aussage dieser und eigentlich jeder Darstellung des Kreuzes Christi: Die heftige, öffentliche Erniedrigung, Bloßstellung und Beschämung Christi. Meine Ratgeber auf jeden Fall (was man auch sonst vom Rat halten möchte) nahmen diese sofort auf.

Dabei muss eingestanden werden, dass “Allen diesen Darstellungen (…) gemeinsam (ist), dass sie einen nackten Gekreuzigten sicher als zu anstößig und würdelos empfanden und deshalb vermeiden wollten.” Das im Bild gezeigte Lendentuch ist ja bereits eine gemilderte Darstellung der wahrscheinlich absoluten Nacktheit Jesu am Kreuz.

Hier sehe ich zwei Lehren:

Da wäre zum Einen die Blöße Jesu: Der Schönste unter den Menschenkindern, der sich herrlich schmückt und dessen Kleider von Myrrhe, Aloe und Kassia duften (Ps. 45,3,4,9) ist entblößt, damit seine Braut, die in Ihrem Blut dalag, nackt und bloß, – bedeckt wird (Hes. 16,6+8): “Da breitete ich meinen Mantel über dich und bedeckte deine Blöße (…) Und ich badete dich mit Wasser und wusch dich rein (…) und kleidete dich mit bunten Kleidern und zog dir Schuhe von feinem Leder an” (Hes. 16,8-10). Das Bild der Kleider der Gerechtigkeit ist ein reichhaltiges Bild der Bibel. Denn der Sünder steht nackt vor Gott. Seine besten Kleider sind Lumpen,  meist eigentlich noch peinlicher als die Blöße selbst, die man verzweifelt zu bedecken sucht. Beachtet: Feigenbäume sind eigentlich ein Zeichen von Segen und Wohlstand, aber kaum ein Blatt ist wohl weniger geeignet, seine Blöße zu bedecken als Feigenblätter: Denn diese rollen sich ein, wenn Ihnen Flüssigkeit fehlt! Welches Bild, Adam und Eva wohl im Paradies abgaben? Schon, um die Blöße unserer Urväter Adam und Eva zu bedecken, musste ein Tier sterben und sein Fell hergeben (1. Mo. 3,21). Das in einem derart kompakten Bericht, wie dem über den Garten Jesu dieses Detail der Bekleidung genannt wird, überrascht! Doch endet die Bibel ebenfalls damit, dass die Braut Christi eingekleidet wird: ““Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann.” (Offenbarung 21,2, – beachtet übrigens hier die Gleichung Braut= Stadt Jerusalem)

Ein Artikel ist zu kurz, um den Zusammenhang von Schuld und Scham zu erörtern oder auch nur ansatzweise zu beschreiben, was es bedeutet, in Christus auch von der Beschämung erlöst zu werden (Wer mehr wissen möchte, findet in E.T. Welchs Buch Scham los sicher gute Hinweise) aber doch zeigt die Blöße Jesu ja eben auf die furchtbare Beschämung, der er ausgeliefert war. Kein Wunder rief er aus: “Mein Gott, Mein Gott, warum hast du mich verlassen!” Der Fröhliche Tausch ermöglicht es uns, in den Blamagen, Beschämungen, Niederlagen, Schwächen, Krankheiten, Lasten und sonstigen “Menschlichkeiten, diesseits von Eden” nicht zu verzagen: Weil Christus alleine beschämt am Kreuz starb, gilt für mich, dass Gott selbst dann bei mir ist, wenn ich im Finstern wandele. Die Apostel wussten um das Potential der Beschämung um des Evangeliums willen und entschieden sich dagegen, die Scham in Ihrem Leben regieren zu lassen: “Aus diesem Grund leide ich dies alles, aber ich schäme mich dessen nicht, denn ich weiß, an wen ich glaube” sagt Paulus in 2. Tim. 1,12 (vgl. auch Röm. 1,16), und befolgt damit ja nur den Ratschlag von Petrus aus 1. Pet. 4,16 (“Leidet er aber als ein Christ, so schäme er sich nicht.”). David machte es fürchterliche Angst, dass seine Feinde auf ihn mit dem Finger zeigen sollten, ja: “Sie sperren das Maul weit auf wider mich und sprechen “Da, da wir sehens mit eigenen Augen!” (Ps. 35,21), womit er eine Erfahrung aller Jünger Jesu teilt.

Das Leben eines Jüngers wird mit solchen Beschämungen erfüllt sein, und doch brauchen wir uns nicht zu schämen, weil Christus, unsere Scham getragen hat. Übrigens hat auch diese Seite ein apokalyptisches Nachspiel: Einst werden sich alle schämen, die Christi und der Gemeinde Feind sind (Ps. 71,13; Jer. 8,12). Doch für die Gemeinde gilt vielmehr (bereits jetzt, aber erst Recht in der Fülle des Reiches Gottes): “Zur selben Zeit wirst du dich all deiner Taten nicht mehr zu schämen brauchen…” (Zef. 3,11)

 

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