Biblische Texte

Der Weinstock: ein biblisches Motiv

Alles rund um den Weinstock hat eine große Bedeutung in der Bibel. Es ist ein Bild, welches in der Bibel immer weiter vertieft und häufig variiert wird. Ich will euch mit hineinnehmen in die Bibel und ihr Bild vom Weinstock. Dabei möchte ich eine Auswahl an geeigneten Bibelstellen ausführlich besprechen und die Bedeutung als biblisches Bild erneut in den Mittelpunkt stellen. Das Thema ist so breit gefächert, dass ich nur einen Bruchteil der vorhandenen Bibelstellen besprechen möchte, um den Rahmen eines Artikels nicht zu sprengen. Wenn der Artikel euch erbaut und zum Weiterstudium der Schrift ermutigt, dann habe ich mein Ziel erreicht. Die in diesem Artikel verwendete Bibelübersetzung ist die Schlachter 2000.

In 1. Mose 40,9 begegnet uns der Weinstock zum ersten Mal. Eine besonders hervorzuhebende Erwähnung  findet sich aber in 1.Mose 49,11. Dort lesen wir:

„Er wird sein Füllen an den Weinstock binden und das Junge seiner Eselin an die Edelrebe; er wird sein Kleid im Wein waschen und seinen Mantel in Traubenblut;“

Dieser Vers gibt sehr viel her. Er ist eingebettet in die prophetischen Worte Jakobs über seine Söhne, die Stammväter Israels. Wenn wir den Vers genau betrachten, können wir ihn in zwei Teile gliedern, was in der deutschen Übersetzung durch den Strichpunkt kenntlich gemacht wird. Der erste Teil handelt von einem, der eine Eselin und ihr Füllen besitzt, und dieses Füllen wird von dem Besitzer an den Weinstock bzw. die Edelrebe gebunden (siehe 1.Mose 49,11a). Man kann daraus schließen, dass es in diesem Vers um Fruchtbarkeit geht, denn niemand würde seinen Esel an einen Weinstock binden, da dieser ihn sofort auffressen würde.[1] Doch wir reden hier von einem solchen Überfluss, dass das nichts ausmachen würde. Dazu kommt, dass das Füllen nur sein Kopf bewegen müsste, um den Weinstock auszureißen[2]. Doch der Weinstock, der in diesem Bibelvers beschrieben ist, ist entweder so stark, dass das nicht passiert[3] oder es gibt so viele Weinstöcke, dass es egal wäre, wenn dieser eine Weinstock ausgerissen würde. Damit wird die Stärke und Kraft des Segens betont[4].

Wer der Besitzer ist, erfahren wir einen Vers zuvor. Und zwar ist in Vers 10 vom „Schilo” die Rede. Das ist ein messianischer Titel. Damit wird deutlich, dass 1.Mose 49,11 ein messianischer Vers ist. Klar ist auch, dass Jakob, vom heiligen Geist geleitet, prophezeit. In diesem Fall prophezeit er das, was wir in Matthäus 21,1-11 lesen. Man kann also sagen, dass Matthäus 21,1-11 die Erfüllung von 1.Mose 49,11a ist. Sacharja 9,9 ist dann die Ergänzung von 1. Mose 49,11a, mit weiteren Details zum Messias. Denn man wird den Messias (da sind sich viele Ausleger einig) daran erkennen, dass er auf einem Esel reitet[5]. Gerade das tut Jesus bekanntlich, als er nach Jerusalem einzieht. Der zweite Teil von 1. Mose 49,11 wirft noch mehr Licht auf dieses Thema. Hier wird das ganze Ausmaß des verheißenen Überflusses an der Frucht des Weinstocks deutlich. Oder vielmehr am Umgang mit der Frucht des Weinstocks. Denn es heißt hier, dass der Messias sein Kleid im Wein waschen wird und seinen Mantel in Traubenblut. Vers 11 als Ganzes bezieht sich sehr wahrscheinlich in seiner Aussage zu Fruchtbarkeit und Segen auf den Messias und den Stamm Juda im messianischen Reich.

Was auffällt ist, dass 1. Mose 49, 11b einen starken Kontrast zum ersten Kommen des Messias bildet, wo der Messias (Jesus) demütig und einfach lebt. Also ohne jeglichen Überfluss an weltlichen Gütern. Das Besondere an Vers 11 ist, dass dieser Vers von ein und derselben Person spricht, aber von zwei unterschiedlichen Zeiten. Wenn wir noch tiefer in den Bibeltext eindringen, fällt uns unweigerlich auf, dass bereits 1. Mose 49,11a von zwei Zeiten berichtet. Einmal im Hinblick auf den Einzug nach Jerusalem, weil der Text von einem Füllen spricht, und einmal in Hinblick auf das messianische Reich, weil der Text von einem Füllenan“ einem Weinstock spricht, ein Bild für völligen Überfluss.  Jesus selbst kündigt den Überfluss im messianischen Zeitalter (dem Zeitalter des zweiten Kommens) bei seinem ersten Kommen an. Und zwar, als er Wasser in Wein verwandelt auf einer Hochzeit in Kana, Galiläa. Dies ist nachzulesen in Johannes 2,1-11 [6]. Denn später behandelt Jesus Wein wie Wasser, indem er ihn zum Waschen seiner Kleider verwendet. Hier ist die Zeit des zweiten Kommens Jesu gemeint.

Diese Aussagen werden aber auch in 1.Könige 5,5 aufgenommen:

„Und Juda und Israel wohnten sicher, jeder unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum, von Dan bis Beerscheba, solange Salomo lebte.“

In beiden Stellen (1. Mose 49,11 und 1. Könige 5,5) steht der Weinstock für Wohlstand. Somit haben wir eine Überschneidung, jedoch in unterschiedlicher Form. Denn während der Weinstock in 1. Mose 49,11 für Überfluss an der Frucht des Weinstocks steht, steht das Wohnen unter dem eigenen Weinstock in 1. Könige 5,5 für Frieden und Sicherheit. Das Bild vom Weinstock wird hier weiterentwickelt. Frieden und Sicherheit bedeuten, dass in dieser Zeitspanne niemand kam, der Israel politisch oder militärisch bedrohte, so dass jeder seinen eigenen Besitz im Frieden genießen konnte. Zu dieser Friedenszeit passt auch der Name „Salomo“, welcher “ Der Friedliche” bedeutet. Einen völlig anderen Aspekt des Weinstocks finden wir im Zusammenhang mit der Berufung eines Nasiräers. Zum Beispiel in 4. Mose 6, 4, wo es heißt:

„Solange seine Weihe währt, soll er nichts essen, was vom Weinstock gewonnen wird, weder Kern noch Haut.“

Nasiräer sind in besonderer Weise gottgeweiht. Es ist interessant zu klären, wieso Nasiräer nichts mit dem Weinstock zu tun haben dürfen.

In den folgenden Versen wird deutlich, dass Nasiräer dem HERRN heilig sein sollen, und zwar während der ganzen Zeit ihrer Weihung. Es heißt sogar wörtlich:

„…denn die Weihe seines Gottes ist auf seinem Haupt“ (4.Mose 6,7).

Es geht hier darum, dass Weinstock und Wein etwas mit irdischer Lebensfreude zu tun haben, besonders im Alten Testament. Beim Nasiräergelübde geht es bewusst um den  Verzicht auf irdische Freuden, um sich ganz auf Gott zu konzentrieren und dabei klar im Kopf zu bleiben.

Wir lernen also, dass der Weinstock und seine Frucht an bestimmten Stellen sogar etwas mit Unreinheit zu tun haben kann und manche Menschen verunreinigen kann. Allerdings stellt sich hier folgende Frage:

In Markus 7,15 sagt Jesus:

„Nichts, was außerhalb des Menschen ist und in ihn hineinkommt, kann ihn verunreinigen; sondern was aus ihm herauskommt, das ist es, was den Menschen verunreinigt.“

Wie also kann die Frucht des Weinstocks jemanden verunreinigen? Um das zu klären, sollten wir hier noch eine andere Stelle hinzuziehen. Und zwar Apostelgeschichte 10,15:

„Und eine Stimme [sprach] wiederum, zum zweiten Mal, zu ihm: Was Gott gereinigt hat, das halte du nicht für gemein!“

Im Kontext dieser Stelle geht es um das Heil für die Heiden. Gott macht Petrus klar, dass weder Menschen aus den Heidenvölkern noch deren Essen unrein sind. Hier steht “gereinigt”, das heißt es ist ein abgeschlossener Prozess. Die Frucht des Weinstocks war für Nasiräer tatsächlich unrein, wurde aber dann von Gott gereinigt, so dass sie heute für niemanden mehr unrein ist.

Weiter mit 5. Mose 32,32:

„Denn vom Weinstock Sodoms stammen ihre Reben und von den Fluren Gomorras; ihre Beeren sind Giftbeeren, ihre Trauben sind bitter.“

Auch wenn die Leute von Sodom und Gomorra, die ja aus der Perspektive von 5. Mose bereits der Vergangenheit angehören, gar nicht direkt angesprochen werden, stellt das Wort Gottes hier einen Bezug zu den Ereignissen rund um Sodom und Gomorra her. Deswegen benötigen wir Kenntnisse der Situation in Sodom und Gomorra, die in 1. Mose 13,1-13, 1.Mose 18,16-32 und 1.Mose 19. berichtet wird. Es stellt sich die Frage, warum ihre Beeren „Giftbeeren“ und warum ihre Trauben „bitter“ sind.

Sodom und Gomorra ist zunächst ein warnendes Beispiel für uns. Es zeigt auf, dass der Wohlstand – in diesem Fall in der fruchtbaren Jordanaue – schnell zum Fluch werden kann.

Ich weiß, dass wir das nicht gerne hören, aber es ist brandaktuell! Denn Deutschland ist auf dem besten Weg, den Herrn, unseren Gott, zu vergessen. Ein Faktor dabei ist der Wohlstand. In Offenbarung 3,17 heißt es:

„Denn du sprichst: Ich bin reich und habe Überfluss, und mir mangelt es an nichts! — und du erkennst nicht, dass du elend und erbärmlich bist, arm, blind und entblößt.“

Und genau dann, wenn man reich an den Gütern dieser Welt, aber geistlich arm ist, ist der Punkt erreicht, wo Beeren zu „Giftbeeren“ und Trauben „bitter“ werden.

Diese Stelle zeigt also, dass eine Sache Segen oder Fluch sein kann, je nachdem wie der Mensch sie gebraucht. So ist es auch beim Weinstock. Es geht in 5. Mose 32, 32 darum, dass die Frucht des Weinstocks in Verbindung mit der Gottlosigkeit der Menschen „bitter“ sein kann. Hier wird uns also ein negatives Bild vom Weinstock vor Augen gemalt.

In 2. Könige 18,31 steht:

„Hört nicht auf Hiskia! Denn so spricht der König von Assyrien: Macht Frieden mit mir und kommt zu mir heraus, so soll jedermann von seinem Weinstock und von seinem Feigenbaum essen und das Wasser seines Brunnens trinken,“

Im zweiten Buch der Könige wird berichtet, dass Sanherib, der König von Assyrien, gegen alle festen Städte in Juda einen Krieg führt. Als die Assyrer vor Jerusalem stehen und es belagern, spricht Sanherib unter anderem diese Worte aus Kapitel 18 Vers 31. Er lässt dem Volk in Jerusalem ausrichten, dass, wenn sie Frieden mit ihm schließen, jeder von seinem eigenen Weinstock essen darf. Diese Aussage weist Ähnlichkeiten zu 1. Könige 5,5 auf, denn 1. Könige 5,5 zeichnet ein Bild des Friedens und der Sicherheit und 2.Kön 18,31 ebenso. Hier gibt es also eine Überschneidung. Denn es heißt ja in 1. Könige 5,5:

„Und Juda und Israel wohnten sicher, jeder unter seinem Weinstock…“

und in 2.Könige 18,31:

„Macht Frieden mit mir.“

Frieden und Sicherheit sind eng verbunden. Denn wenn Frieden herrscht, sind die meisten Menschen sicher, und wenn das Volk sicher ist, herrscht meistens Frieden.

Wenn jeder von seinem eigenen Weinstock essen darf, bedeutet das, dass die Menschen vermutlich nur eingeschränkt Tribut leisten müssen und nicht weggeführt werden. Zumindest vorerst, denn wenn man weiterliest, erfährt man, dass der König von Assyrien sehr wohl vor, hat die Judäer in ein anderes Land zu führen. Hier geht 2.Könige 18,31 also einen ganzen Schritt weiter. Nämlich von Frieden und Sicherheit hin zu Unabhängigkeit und Freiheit.

Hier ist das Essen vom eigenen Weinstock also etwas sehr Positives.

Es fällt auf, dass der Weinstock nicht allein erwähnt wird, sondern zusammen mit dem Feigenbaum und dem Brunnenwasser. Dies soll an dieser Stelle jedoch nicht weiter ausgeführt werden.

Blicken wir nun  auf Psalm 80,9:

„Einen Weinstock hast du aus Ägypten herausgebracht; du hast die Heidenvölker vertrieben und ihn gepflanzt.“

Mit dem „Weinstock“ ist Israel gemeint. Und zwar deswegen, weil alle drei Punkte dieses Verses auf Israel zutreffen:

  1. „Einen Weinstock hast du aus Ägypten herausgebracht“ – Israel wurde aus Ägypten herausgeführt (nachzulesen in 2.Mose)
  2. „du hast die Heidenvölker vertrieben“ – Gott hat durch Israel die Heidenvölker vertrieben (nachzulesen hauptsächlich im Buch Josua, aber auch schon früher in der Bibel)
  3. „und ihn gepflanzt“ – Israel nahm das Land Kanaan in Besitz (nachzulesen im Buch Josua)

Wir lernen also, dass Israel Gottes Weinstock ist. Damit ist Israel exklusives und edles Eigentum Gottes – der Weinstock ist ja seit jeher auch etwas Edles. Zwar beschreibt der fortlaufende Psalm 80 auch die Verwüstung dieses Weinstocks, aber er endet mit der Bitte an Gott, den Weinstock Israel wieder herzustellen. Und trotz der Verwüstung ist und bleibt dieser Weinstock Gottes exklusives und geliebtes Eigentum.

Interessant ist, dass beim zweiten Punkt von Völkern die Rede ist, obwohl uns beim ersten und dritten Punkt das Bild vom Weinstock begegnet. Doch warum? Ich denke, weil dann klar wird, was wofür steht. Denn wenn nur von Pflanzen die Rede wäre, wäre es ziemlich schwer zu erkennen, dass es hier um Israel geht, vorausgesetzt man betrachtet diesen Vers isoliert.

Außerdem drückt dieses Bild in Psalm 80,9 tiefe Verbundenheit zwischen Gott und Israel aus. Gott wollte Israel absondern, darum hat er die Heidenvölker aus dem Land Kanaan vertrieben. Interessant ist diese Stelle auch in Bezug auf Johannes 15. Denn in beiden Stellen (Psalm 80,9 und Johannes 15) begegnet uns Gott als Weingärtner. Es ist ein Bild der Zuneigung Gottes gegenüber einem auserwählten Volk. In Psalm 80,9 ist es das Volk Israel, dass aufgrund der Erwählung besondere Zuneigung von Gott genießt, in Johannes 15 sind es die Christen, die aufgrund der Erwählung besondere Zuneigung von Gott genießen. Dazu später mehr.

Nun kommen wir zum Buch Hoheslied. In Hoheslied 7,13 steht: „wir wollen früh zu den Weinbergen aufbrechen, nachsehen, ob der Weinstock ausgeschlagen hat……. Das ist ein Bild für den Frühling, denn ein Weinstock schlägt Mitte April bis Anfang Mai aus. Und der Frühling ist wiederum ein Bild für junge Liebe. Denn in Hoheslied 7,13 steht weiter: „…….dort will ich dir meine Liebe schenken!“ Und der Weinstock,der logischerweise am Weinberg gepflanzt ist, ist hier zusammen mit den Granatapfelbäumen ein Ort der Liebe. Und da die Liebe das Höchste ist was es gibt, zeigt sich das Bild vom Weinstock in dieser Bibelstelle von seiner schönsten Seite.

In Jesaja 34,4 wird das Abfallen der Weinblätter als Bild für das Vergehen des Universums gebraucht. Aber nicht nur das, denn an das Vergehen des Universums ist das Gericht Gottes geknüpft. Also ist auch hier der Weinstock in eine Gerichtsbotschaft eingebettet. Derselbe Bezug findet sich auch an folgenden anderen Stellen: Jeremia 6,9; Jeremia 8,13; Hosea 2,14; Hosea 10,1 und ganz deutlich in Offenbarung 14,18-19. Drei dieser Schriftstellen sollen nachfolgend näher erlätutert werden, nämlich Jeremia 6,9; Hosea 10,1 und Offenbarung 14,18-19.

Zunächst zu Jeremia 6,9. Dort lesen wir:

„So spricht der HERR der Heerscharen: Am Überrest Israels wird man Nachlese halten wie am Weinstock. Lege nochmals deine Hand an wie ein Weinleser an die Ranken!“  

Zunächst sollten wir klären, was mit „Nachlese“ gemeint ist: Es bedeutet, dass man NACH der eigentlichen Ernte die noch übrigen Trauben einsammelt. Gott hat im AT allerdings genau das den Besitzern verboten. Und zwar, damit Witwen, Waisen und sonstige Bedürftige die übrigen Trauben ernten dürfen. Wir lesen das unter anderem in 3.Mose 19,9-10.

Was bedeutet es nun, wenn Gott sagt, dass am Überrest Israels Nachlese gehalten wird, wie am Weinstock?

Der Kontext dieser Stelle macht klar, dass auch eine Nachlese keine wirkliche Frucht einbringt – ein niederschmetterndes Bild. Denn man könnte ja meinen, dass wenigstens die Nachlese (bildlich für Gottes zweite Suche nach Gerechten in Israel) noch etwas einbringen würde. Es ist eine sehr negative Bestandsaufnahme, die Gericht und den Zorn Gottes zur Folge hat.

Weiter mit Hosea 10,1. Dort lesen wir:

„Israel ist ein rankender Weinstock, der für sich selbst Frucht bringt. Je mehr Früchte er brachte, desto mehr Altäre bauten sie; je besser ihr Land war, desto schönere Götzenbilder machten sie.“

Zuerst zum ersten Teil dieses Verses, also:

„Israel ist ein rankender Weinstock, der für sich selbst Frucht bringt.“

Dass ein Weinstock rankt, ist (wie mir ein Verwandter mitgeteilt hat) eine positive Eigenschaft. Es bedeutet nämlich, dass der Weinstock sich nach oben um einen Gegenstand herumdreht oder sich in Kurven fortbewegt, immer der Sonne entgegen. Denn Pflanzen streiten förmlich um Licht, um Photosynthese betreiben zu können. Das Ranken ist also sehr sinnvoll und verschafft dem Weinstock Vorteile gegenüber anderen Pflanzen. Das Festhalten an Gegenständen wiederum erhöht die Tragfähigkeit für Früchte und somit die Fruchtbarkeit des Weinstocks.

Wie wir vorher bereits gelesen haben, ist Israel Gottes Weinstock und Gott ist wiederum Israels Weingärtner. Mit diesem Wissen erscheint das Verhalten Israels im zweiten Teil dieses Verses umso verwerflicher. Denn jedem ist klar, dass ein Weinstock Frucht für den bringt, der sich um ihn kümmert oder ihn sogar gepflanzt hat. Aber beim Weinstock Israel scheint es anders zu sein, zumindest in der Zeit Hoseas. Denn hier lesen wir, dass dieser Weinstock „für sich selbst Frucht bringt.“ Das ist ein großes Problem. Denn Gott will, dass Israel Frucht bringt, aber nicht für sich selbst, sondern für Gott! Auch deshalb hat Gott Israel erwählt.

Der zweite Teil von Hosea 10,1 lautet:

„Je mehr Früchte er brachte, desto mehr Altäre bauten sie; je besser ihr Land war, desto schönere Götzenbilder machten sie.“

 Israel hat also den Götzen seine Früchte dargebracht, aber da die Götzen gar nicht existieren, sondern nur menschliche Erfindung sind, stimmt die Aussage dennoch, dass Israel (nur) für sich selbst Frucht bringt. Und genau hier können wir an die Stelle von 5. Mose 32,32 anknüpfen, denn das Prinzip ist ähnlich: Dinge, die eigentlich gut sind, wie Fruchtbarkeit und gutes Land, werden ins Negative verkehrt, weil der Mensch es falsch gebraucht.

Das Gute am Weinstock wird den Götzen zugeschrieben und nicht Gott, der alles geschaffen hat und dem die Ehre dafür gebührt. So wird die Fruchtbarkeit des Weinstocks schnell zum Fluch. Das hat Zorn und Gericht Gottes zur Folge.

Nun zur dritten Stelle, Offenbarung 14,18-20. Dort heißt es:

„18 Und ein weiterer Engel kam vom Altar her, der hatte Vollmacht über das Feuer; und er wandte sich mit lautem Ruf an den, der die scharfe Sichel hatte, und sprach: Sende deine scharfe Sichel aus und schneide die Trauben des Weinstocks der Erde ab, denn seine Beeren sind reif geworden! 19 Und der Engel warf seine Sichel auf die Erde und schnitt den Weinstock der Erde und warf die Trauben in die große Kelter des Zornes Gottes. 20 Und die Kelter wurde außerhalb der Stadt getreten, und es floss Blut aus der Kelter bis an die Zäume der Pferde, 1 600 Stadien weit.“ 

Zwar ist die Offenbarung das letzte Buch der Bibel, jedoch ist die klare und schmerzliche Gerichtsbotschaft der zitierten Verse an dieser Stelle schon angebracht.

„die Trauben des Weinstocks der Erde“ sind Menschen, in diesem Fall gottlose Menschen. Dass die „Trauben“ reif sind, bedeutet, dass die Menschen es soweit gebracht haben, dass das göttliche Gericht unvermeidlich ist. Sie sind also reif für das Gericht. Dieses Bild wird dann im Verlauf des Textes erklärt, indem das Wort „Blut“ vorkommt. Damit ist klar, dass es sich hier nicht um Traubensaft oder Wein dreht, sondern um Menschenblut. Die Ernte des Weinstocks ist hier ein Bild für das göttliche Gericht.

Nach diesen Gerichtsbotschaften soll nun wieder ein positives Beispiel für das Bild des Weinstocks folgen. Es ist zu finden in Sacharja 8, 12:

„sondern es soll eine Saat des Friedens geben: Der Weinstock soll seine Frucht bringen und das Land seinen Ertrag abwerfen und der Himmel seinen Tau spenden, und dem Überrest dieses Volkes will ich dies alles zum Erbteil geben.“

Die Saat des Friedens“ ist wohl nicht im übertragenen Sinne zu verstehen, sondern es ist wirklich eine reale Saat gemeint und demzufolge auch reale Früchte. Denn es heißt ja:

„Der Weinstock soll seine Frucht bringen und das Land seinen Ertrag abwerfen und der Himmel seinen Tau spenden“

Fruchtbarkeit und Wohlstand sind mit dem Frieden eng verbunden. Denn Frieden begünstigt eine gute Ernte, die ja ein wesentlicher Bestandteil von Wohlstand ist. Dies entspricht der bereits erörterten Bedeutung in 1. Könige 5,5 und 2. Könige 18,31. Dort können der Weinstock und seine Frucht ebenfalls Frieden bedeuten.

In Sacharja 8,12 ist der Weinstock und seine Frucht zudem ein „Erbteil“ des Überrests des Volkes Gottes. Erbteil“ bedeutet, dass das Volk Israel etwas von Gott erbt, nämlich Frieden und Wohlstand ausgedrückt in der Frucht des Weinstocks, dem Ertrag des Landes und dem Tau des Himmels. Sacharja bildet den Gegenentwurf zu den Gerichtsbotschaften in denen der Weinstock vorkommt. In Sacharja ist der Weinstock Teil einer frohen Botschaft, die aussagt, dass Gott segnen und Menschen zum Segen machen will.

Abschließend nun noch die bekannten Verse aus Johannes 15, 1-8, dem Gleichnis vom Weinstock, in denen sowohl Gerichtsbotschaft als auch Segensbotschaft anklingen. Wir lesen dort:

„1 Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Weingärtner. 2 Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, nimmt er weg; jede aber, die Frucht bringt, reinigt er, damit sie mehr Frucht bringt. 3 Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe. 4 Bleibt in mir, und ich [bleibe] in euch! Gleichwie die Rebe nicht von sich selbst aus Frucht bringen kann, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht in mir bleibt. 5 Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts tun. 6 Wenn jemand nicht in mir bleibt, so wird er weggeworfen wie die Rebe und verdorrt; und solche sammelt man und wirft sie ins Feuer, und sie brennen. 7 Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, so werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch zuteil werden. 8 Dadurch wird mein Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringt und meine Jünger werdet.“ 

In diesem Gleichnis erscheint also das Bild vom Weinstock wie Christus es gebraucht. Er sagt von sich selbst, dass er der wahre Weinstock ist. Das ist interessant: Wenn wir zurück zu Psalm 80 gehen, lesen wir, dass Israel Gottes Weinstock ist. Jesus aber sagt, dass er der „wahreWeinstock ist. Damit wird folgendes klar: Israel ist Gottes Weinstock, aber der Großteil Israels hat versagt, indem es keine guten Früchte hervorgebracht hat. Wie aus dem NT zu entnehmen ist, wird eine Pflanze als Bild für Mensch oder Volk, die keine gute Frucht bringt, abgehauen, weggeworfen und verbrannt (siehe Lukas 13,6-9; Johannes 15,6). Deshalb wurde der Großteil Israels vorübergehend in der Heilsgeschichte beiseitegesetzt. Das lesen wir unter anderem im Römerbrief Kapitel 9-11. Stattdessen ist Jesus der wahre Weinstock Gottes, der Frucht für Gott bringt. Aufgrund der Treue Gottes bleibt Israel zwar dennoch der Weinstock Gottes. Doch der EIGENTLICHE Weinstock ist Christus. Israel fungiert als Bild – nämlich als Bild für Christus, den wahren Weinstock. Ebenso verhält es sich mit den Opfern des alten Bundes. Diese sind zwar Opfer, aber das wahre Opfer ist Christus.

In Johannes 15 steht auch: „und mein Vater ist der Weingärtner.“ Gott der Vater ist also der Weingärtner, der den Weinstock pflegt, indem er die Reben entweder wegnimmt und verbrennt (wenn die Reben keine Frucht bringen) oder sie reinigt, damit sie mehr Frucht bringen. Ob eine Rebe Frucht bringt, hängt davon ab, ob diese Rebe am Weinstock bleibt oder nicht. Übertragen auf die reale Welt heißt das, ob der Jünger in Christus bleibt oder nicht.  Klar ist auch folgende Aussage: „denn getrennt von mir könnt ihr nichts tun.“ Das betont die ganze Ohnmacht des Menschen, wenn er nicht in Jesus verankert ist. Denn viele Christen haben in der Nachfolge schon erlebt, dass sie rein gar nichts ausrichten können, wenn ihre Werke nicht die sind, die Gott zuvor bereitet hat (Epheser 2,10). Aber Vorsicht: Manchmal ist es auch so, dass man Werke tut, besonders in der Evangelisation, die zwar zuvor von Gott bereitet sind, deren Frucht der Mensch jedoch vorerst nicht sieht. Gott kann dadurch dennoch verherrlicht werden und manchmal ist es in der Evangelisation tatsächlich so, dass die große Ernte erst sehr viel später stattfindet, wenn der Missionar vielleicht schon tot ist.

Weiterhin ist nicht nur das In-Christus-Sein relevant, sondern es gehört auch dazu, dass Christus in dem Jünger ist (siehe Vers 5).   Dies geschieht durch das Wort Gottes, wie folgende wichtige Aussage Jesu in Vers 7 deutlich macht:

„und meine Worte in euch bleiben“

Diese Aussage soll klar machen, dass Jesus durch sein Wort – die Bibel – in uns wohnt. Denn die Bibel ist geistlich. Und wie die Reformatoren richtig bemerkt haben, ist der Heilige Geist an das Bibelwort geknüpft, d.h. der Heilige Geist arbeitet mit dem Wort Gottes in den Jüngern. Dies macht deutlich, wie wichtig es ist, die Bibel zu erforschen, um im Glauben zu wachsen. Denn wenn wir in den Schöpfungsbericht 1. Mose 1,3 am Anfang der Bibel gehen, erfahren wir, dass Gott durch sein Wort schuf.

„Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es wurde Licht.“

Wenn wir also eine neue Schöpfung in Christus Jesus sind (vgl. 2 Korinther 5,17), ist klar, dass dies durch Gottes Wort passiert ist und weiter passiert. Wiedergeburt passiert durch Gottes Wort (vgl. 1 Petrus 1,23)

Somit ist das Bild vom Weinstock wie es Jesus gebraucht sehr aufschlussreich in Bezug auf die Stellung der Jünger in Christus und ihre Beziehung zum Vater. Gleiches gilt für die Beziehung zwischen Gott dem Vater und Christus. Am Ende stehen eine Verheißung und die Offenbarung eines Ziels. Die Verheißung an die Jünger:

„Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, so werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch zuteilwerden.“ 

Schließlich die Offenbarung des göttlichen Ziels:

 „Dadurch wird mein Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringt und meine Jünger werdet.“ 

Das Bild vom Weinstock ist somit ein gewaltiges und umfassendes Bild, dass sich im Laufe der Bibel entwickelt und in verschiedenen Bedeutungen auftritt. Das bekannteste Beispiel ist sicherlich in Johannes 15 zu finden. Tatsächlich kommt der Weinstock aber bereits im AT sehr häufig und eindrucksvoll vor. Gott gebraucht immer wieder Bilder aus der Landwirtschaft, um uns Dinge so zu erklären, dass wir sie gut verstehen. Gerade das Gleichnis vom Weinstock macht uns deutlich, wie reich wir in Jesus sind.


Da dies mein erster Artikel ist den ich veröffentliche, will ich mich noch kurz vorstellen. Ich bin Simon, 21 Jahre alt, wohne in Hessen. In meiner Freizeit spiele ich Volleyball und lese gerne. Zu aller erst danke ich Jesus, der es so gefügt und eingerichtet hat, dass ich diesen Artikel schreiben konnte. Dann danke ich Sergej Pauli, der mich unterstützt hat und mir bei formellen aber auch inhaltlichen Fragen zur Seite stand und mir dadurch sehr geholfen hat. 

Literaturhinweise:

[1] Steinmann, Genesis S. 458f

[2] Arnold G. Fruchtenbaum, Das 1. Buch Mose Kapitel 37-50 S. 146

[3] siehe eben da

[4] siehe eben da

[5] siehe eben da

[6] Derek Kidner, Genesis S.230

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